Silvia Friedrich: Die Karottenbande

17. September 2010

Die Karottenbande
© Silvia Friedrich

Luise hat rote Haare. Die Kinder lachen deswegen und rufen oft „Karotte“ hinter ihr her.
Luise macht das sehr wütend. Sie schimpft und schreit und rennt und will dann am liebsten ganz schnell vom Kindergarten nach Hause. Luises Mutter versucht sie damit zu trösten, dass alle Menschen eben verschieden sind. Dass sie auf ihre roten Haare stolz sein sollte, denn die hat nicht jeder. Luise tröstet das nicht. Sie wünscht sich, dass ihre Haare schwarz sind oder blond, wie bei den anderen Kindern. Ihr Freund Mohammed ist mit seinen Eltern aus einem weit entfernten Land hergekommen. Woher genau, weiß Luise nicht. Aber sie findet Mohammed toll, weil er Kunststückchen mit einem Ball machen kann. Er will natürlich Fußballer werden, was sonst!
Die Kinder im Kindergarten sind nicht nett zu Mohammed, weil er nicht so gut Deutsch spricht wie sie. Und in seiner Sprache verstehen sie erst recht nichts.
Luise und Mohammed spielen jetzt immer zusammen.
Sie gründen eine Bande, die Karottenbande. Obwohl sie nicht so genau wissen, was eine Bande den ganzen Tag tun muss.
„Böse sein“, sagt Mohammed.
„Böse sein ist gut“, sagt Luise. „Eine liebe Bande, die gibt es bestimmt gar nicht.“
„Und kämpfen!“, ruft Mohammed.
„Ja“, meint Luise, „aber nicht den ganzen Tag!“
Mohammed ist wütend auf die anderen, weil sie ihn nicht mitspielen lassen beim Fußball. Sie überlegen beide den ganzen Vormittag, ob die Karottenbande da nicht was tun könnte.
Am nächsten Tag hat sich Luise ein neues Spiel ausgedacht.
Ein Geheimspiel. Genauer gesagt: eine Geheimsprache.
So können Mohammed und sie geheimste Karottenbanden-Geheimnisse austauschen und keiner weiß, was es bedeutet.
„Wir sagen einfach Stuhl, wenn wir den Tisch meinen“, sagt Luise.
Mohammed versteht: „Ja, und wenn wir Tisch sagen, meinen wir Stuhl.“
Luise ist erstaunt: „Toll, Mohammed. Jetzt denken wir uns noch andere Wörter aus und vertauschen sie.“
Beide sind emsig bei der Sache. Mohammed zeigt auf den Schrank und Luise sagt „Sofa“. Er zeigt auf das Bilderbuch und Luise sagt „Haus“. Der Teddy ist jetzt ein Eimer und die Puppe ein Blumentopf.
„Bring mir das Haus“, sagt Luise zu ihrem Freund und Mohammed holt das Bilderbuch. Beide müssen lachen.
„Stell den Eimer in das Sofa“, flüstert Mohammed Luise zu. Sie kichern.
„Leg das Haus auf den Stuhl“, prustet Luise los.
Beide können sich vor Lachen kaum halten. Die anderen Kinder sind neugierig geworden und kommen näher. Warum lachen die so?
„Hol mir ein Haus aus dem Sofa“, lacht Luise und Mohammed liegt schon flach auf dem Fußboden, weil er so kichern muss.
„Können wir mitspielen?“, drängeln die anderen.
Luise steht auf und wird ernst: „Nein. Diesmal wollen wir mit euch auch nicht spielen.“
„Und wenn wir euch nie mehr ärgern? Und Mohammed bestimmt immer beim Fußball mitspielen darf? Dürfen wir dann bei euerm Geheimspiel mitspielen?“
Luise guckt ihren Freund an. Der nickt.
„Also gut“, sagt Luise „dann werden wir euch jetzt unser Geheimsprachenspiel erklären.“
„Gemeinsam können wir uns noch viel mehr witzige Spiele ausdenken“, finden nun auch alle anderen.
„Ja, denn jeder hat verschiedene Ideen“, meint Luise.
„Wir könnten uns von jetzt ab „Die Gemüsebande“ nennen, weil wir alle verschieden sind!“, ruft Mohammed.
„Einverstanden!“, kichern die anderen und die Kinder überlegen noch lange, welches Gemüse ihnen denn nun am meisten ähnlich sieht. Dass sie dabei ganz viel gelacht haben, ist doch klar, oder?

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